Das Wuchten eines Kurbeltriebs

Hier erläutert am Beispiel einer DNEPR MT11/16 Kurbelwelle

Viele ärgern sich über das unangenehme Schütteln und vibrieren des DNEPR-Motors, das letztendlich dazu führt, dass der Russe die Muttern abwirft und man hin und wieder Teile verliert. Zudem wäre da noch das Kribbeln in den Händen, das augenblicklich einsetzt, wenn man nach längerer Fahrt absteigt und bis zu einer Stunde anhält...

Ich habe im Zuge der Motorrevision meiner MT16 daher die Sache genau in Augenschein genommen und festgestellt, dass weder die KW noch die Schwungschweibe vom Werk gut gewuchtet sind. Darüberhinaus waren die Kolben und Pleuel ungleich schwer und diese Differenz nicht kompensiert (10gramm!!). Das führte zu sehr starken Vibrationen des Motors, die viele Teile im und am Rahmen unnötig zusätzlich belasten, ganz abgesehen von den zusätzlichen Belastungen der Kurbelwelle selbst.

Ein wenig Theorie:

Damit die Kurbelwelle die Massenmomente der rotierenden und oszillierenden Massen kompensieren kann, werden an den Kurbelwangen Ausgleichsmassen angebracht. Boxermotoren werden im allgemeinen zu 30% ausgewuchtet, d.h. man gleicht die volle rotierende Masse (rotierender Teil des Pleuels - Teil A siehe Bild) und 30% der oszillierenden Masse aus (oszillierender Teil des Pleuels Kolben + Ringe + Bolzen + Sicherungsringe - Teil B siehe Bild). Für Einzylindermotoren wählt man 50% Kompensation.

Ludwig Apfelbeck empfiehlt in seinem Buch "Wege zum Hochleistungsmotor" folgende Methode zur Ermittlung der rotierenden bzw. oszillierenden Masse des Pleuels - Pleuel wird in der Mitte des Auges aufgehängt, in der Mitte des anderen Auges gewogen (siehe Skizze). D.h. Abwiegen im oberen Pleuelauge gibt die oszillierende Masse des Pleuels, im unteren Pleuelauge ergibt sich der rotierende Massenanteil. Wichtig: Pleuellager nicht vergessen! Beide Skizzen sind aus dem ´Apfelbeck´.

Beim Wuchten werden statt der Pleuel sogenannte Meistergewichte, die jeweils den Ausgleichsmassen an den Kurbelwangen entsprechen sollen, montiert. Dann wird in 2 Ebenen (an den beiden Enden der KW) gewuchtet. Wichtig ist, dass auch die Schwungscheibe miteinbezogen wird, denn die hat eine gewaltige Masse und erzeugt durch die spezielle Massenverteilung (das meiste Eisen befindet sich am Rand) auch ein gewaltiges Störmoment, wenn sie nicht gut gewuchtet ist.

Die Russen sind allerdings der Meinung, dass man die oszillierenden Massen im Boxermotor praktisch nicht ausgleichen muss - das Meistergewicht für eine DNEPR MT11/16 wurde auf experimentellem Weg mit 476g ermittelt. Damit habe ich sehr gute Ergebnisse erreicht, mein Motor läuft jetzt ganz ruhig, mit einem Minimum an Vibrationen. Würde man die oszillierende Masse ebenfalls kompensieren wollen, müsste man zusätzliches Material an den Ausgleichsmassen der Kurbelwangen anbringen (etwa 200g/pro Zylinder in Form eines Streifens an der Kurbelwangeninnenseite - so ist das beim Puch-500er-Motor gelöst). Das ginge vermutlich, lohnt aber nicht. Die Faustregel für die Kompensation russischer KWs ist also:

Ausgleichsgewicht (= Meistergewicht) = rotierende Pleuelmasse!

Der Ordnung halber erwähne ich hier noch, dass man auch dafür sorgen muss, dass die Massenverteilung der Pleuel und das Gewicht der Kolben auf beiden Zylindern auf <1g genau abgeglichen werden sollte. D.h. Teile schlau kombinieren und eventuell, wenn nötig, Material wegnehmen...

Viel Spass beim Wuchten!

 

 

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